Aktueller Impfstatus bei Kindern: Impfquoten ausbaufähig
Aktueller Impfstatus bei Kindern: Impfquoten ausbaufähig
Das Robert Koch-Institut (RKI) publiziert einmal jährlich eine Gesamtdarstellung und Interpretation der Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland.1 Welche positiven Entwicklungen es gibt und wo es gilt, noch ein Schippchen draufzulegen, lesen Sie hier.
Positive Entwicklung
Grundsätzlich sind die Impfquoten bei den meisten der lang etablierten Impfungen zum Zeitpunkt der Einschulungsuntersuchungen auf einem guten Niveau. Dabei ist ein schneller Anstieg der Inanspruchnahme von Impfungen zu beobachten, die seit längerer Zeit empfohlen werden. Auch das Masernschutzgesetz aus dem Jahr 2020 hat sich positiv auf die Masern-Impfquote bei Kleinkindern ausgewirkt. Die COVID-19-Pandemie hingegen beeinflusste die Inanspruchnahme von Impfungen für Kinder und Jugendliche nicht negativ.1
Möchten Sie die Impfquoten Ihrer Region für ausgewählte Schutzimpfungen von 2020 / 2021 im Überblick sehen?
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Trotz gutem Niveau: Abzüge in der B-Note
Wo Licht ist, da ist auch Schatten: Jedoch wurden bei allen Impfungen die empfohlenen Alterszeitpunkte nicht eingehalten, Impfserien blieben unvollständig und einige Kinder erhielten manche Impfungen gar nicht. Dabei werden junge Kinder schon durch ein zu spätes Impfen unnötig lang einer Infektionsgefahr ausgesetzt.1 Nicht zeitgerechte Impfungen können dazu führen, dass:
- das vollständige Impfpotenzial nicht ausgeschöpft werden kann, z. B. bei der Impfung gegen humane Papillomviren (HPV).1
- ein höheres Risiko für Impfkomplikationen besteht, wie etwa bei der Impfung gegen Rotaviren.1
Wussten Sie schon
In die aktuelle Auswertung der Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland flossen Daten aus der Impfstatuserhebung bei den Schuleingangsuntersuchungen von 2008 – 2020 und Daten der KV-Impfsurveillance aus den Jahren 2008 – 2022.1
Impfung gegen humane Papillomviren (HPV): Luft nach oben
Im Jahr 2011, also etwa 4 Jahre nach Aufnahme der HPV-Impfung in den Impfkalender, waren nur gut ein Viertel der 15-jährigen Mädchen vollständig gegen HPV geimpft. Danach stieg die Impfquote für diese Altersgruppe jedes Jahr um 2 – 3 %. Im Jahr 2020 betrug die Impfquote für eine vollständige HPV-Impfserie bei 15-jährigen Mädchen bundesweit 51,0 %. Insgesamt variiert die Impfquote für die vollständige HPV-Impfserie dabei regional sehr stark. Auf Länderebene war sie nach den aktuellen Zahlen von 2020 in Sachsen-Anhalt mit 71,2 % am höchsten und in Baden-Württemberg mit 40,9 % am niedrigsten. Aber auch auf Kreisebene waren die Unterschiede sehr groß: Im Landkreis Mühldorf am Inn (Bayern) waren nur 23,4 % der 15-jährigen Mädchen vollständig gegen HPV geimpft, in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) waren es hingegen schon 78,9 %.1
Für das Jahr 2020 wurde bundesweit ein starker Anstieg der Impfquote mit vollständiger Impfserie über die Altersjahre beobachtet: von 0,7 % bei 9-jährigen Mädchen bis 54,1 % bei 18-jährigen Frauen. Im Alter von 18 Jahren hatten zwar 68,5 % der Frauen mit der Impfung begonnen, allerdings wurden 21,0 % dieser begonnenen Impfserien nicht zu Ende geführt. Auch bei den 18-jährigen Frauen wurden große Unterschiede bei den Impfquoten in den verschiedenen Bundesländern beobachtet.1
Seit 2018 wird die Impfung gegen HPV für Jungen empfohlen. Der mögliche Beobachtungszeitraum für die Auswertung der Impfquoten ist noch recht kurz. In der KV-Impfsurveillance endete er im Dezember 2020, ungefähr 2 Jahre nach Übernahme der Impfung für Jungen als Pflichtleistung durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im November 2018.1
Nur in den einzelnen Altersstufen der 12- bis 16-jährigen Jungen haben bundesweit 10 % oder mehr die HPV-Impfung abgeschlossen, doch bis zu jeweils 33 % haben bereits eine HPV-Impfserie begonnen. Die Spannweite der Impfquoten 15-jähriger Jungen reicht von 4,7 % im Landkreis Tuttlingen (Baden-Württemberg) bis 40,5 % in Zweibrücken (Rheinland-Pfalz).1
Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Polio, Hib und HepB: Spät dran
Bei Kindern in sehr jungem Alter sind die Impfquoten für die Standardimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Poliomyelitis (Polio), H. influenzae Typ b (Hib) und Hepatitis B (HepB) nur moderat. Diese Impfungen werden zwar in der Regel bis zum Alter der Schuleingangsuntersuchung nachgeholt – allerdings nicht bei allen Kindern. Somit bestehen nach wie vor Impflücken.1
Der Abschluss der Impfserien zur Grundimmunisierung gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Polio und Hib erfolgte bei nur 82 % aller Kinder bis zum Ende des 2. Lebensjahres. 77 % der geimpften Kinder wurden mit 4 Impfstoffdosen und 4 % wurden nach dem 2+1-Schema geimpft.1
Pneumokokken-Impfung: gut zwei Drittel der 2-jährigen Kinder geimpft
Kurz nach der Einführung der Pneumokokken-Impfung 2006 stieg die Inanspruchnahme der Impfung stark an. So waren 2020 laut KV-Impfsurveillance 74,8 % der Kinder bis 24 Monate (Geburtsjahrgang 2019) vollständig gegen Pneumokokken geimpft. Dennoch fehlt rund einem Viertel der Kinder bis zum Ende des 2. Lebensjahres ein ausreichender Impfschutz gegen Pneumokokken. Dabei ist das Impfgeschehen in sehr jungem Alter wichtig, weil das Nachholen der Pneumokokken-Impfung nur bis zum vollendeten 2. Lebensjahr empfohlen wird.1
Interessanterweise waren 2020 bei der Schuleingangsuntersuchung 82,2 % der Kinder vollständig gegen Pneumokokken geimpft. Das RKI vermutet, dass möglicherweise ein Teil von ihnen die Impfung außerhalb der STIKO-Empfehlungen zur Standardimpfung gegen Pneumokokken zu einem späteren Zeitpunkt bekommen haben könnte – manche vielleicht wegen einer bestehenden gesundheitlichen Impfindikation.1
Impfung gegen Varizellen: Positiver Trend
Im Jahr 2004 wurde die Impfung gegen Varizellen in den Impfkalender für Kinder aufgenommen. Die Impfungen gegen Varizellen, Masern, Mumps und Röteln werden für die gleichen Altersgruppen empfohlen. Für die 2. Impfdosis soll laut STIKO ein MMRV-Kombinationsimpfstoff verwendet werden. Trotzdem wird die Varizellen-Impfung weniger in Anspruch genommen als die MMR-Impfung.1
Für die 1. Varizellen-Impfung bei 15 Monate alten Kleinkindern liegt die Impfquote bundesweit bei 83,0 %. Dabei ist sowohl über die Zeit als auch mit zunehmendem Alter der Kinder ein ansteigender Trend bei der Impfquote zu beobachten: Sie beträgt:1
- 88,0 % für die Altersgruppen 24 Monate
- 89,3 % für die Altersgruppen 36 Monate
- 88,9 % im Alter der Einschulungsuntersuchungen
Die Defizite bei der Inanspruchnahme der 2. Varizellen-Impfung konnten jedoch bis zur Schuleingangsuntersuchung nur mäßig aufgeholt werden. Dabei ist eine hohe Inanspruchnahme der Impfung im Kindesalter wichtig. Nur durch hohe Impfquoten kann ein Gemeinschaftsschutz hergestellt und das Übertragungsrisiko des Erregers auf Personen gesenkt werden. Das gilt insbesondere für die Personen, denen aus medizinischen Gründen kein Lebendimpfstoff verabreicht werden kann oder die noch zu jung für eine Impfung sind.1
Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln: Nationale Ziele verfehlt
Für Masern, Mumps und Röteln (MMR) sind fast ausschließlich Kombinationsimpfstoffe verfügbar. Daher sind die Impfquoten hierfür nahezu identisch. Für die 1. Impfung gegen Masern bei Kleinkindern im Alter von 15 Monaten liegt die bundesweite Impfquote bei 89,1 %. Auffällig ist hierbei auch die Heterogenität der Impfquote auf Kreisebene. So sind z. B. 66,8 % der Kinder in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) gegen MMR geimpft, in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) 97,2 %. Somit wird das Ziel des nationalen Masernaktionsplans für die 1. Masernimpfung eine Impfquote von 95 % bei Kleinkindern im Alter von 15 Monaten zu erzielen, mit Ausnahme von 20 Kreisen, in einem Großteil der Regionen auf Kreisebene weiterhin verfehlt.1
Die Impfquoten der MMR-Impfung zum Schuleingang zeigen, dass bis zu den Schuleingangsuntersuchungen Masernimpfungen noch nachgeholt werden. Bundesweit haben 97,5 % der Kinder die 1. Masern-Impfung erhalten und 93,2 % auch die 2. Masern-Impfung. Eine Impfquote von mehr als 95 % für die 2. Masern-Impfung bis zur Einschulung erreichen nur die Bundesländer Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Damit ist auch ein weiteres Ziel des Masernaktionsplans, wonach 95 % der Kinder zum Schuleingang zweimal gegen Masern geimpft sein sollen, lediglich in 4 Bundesländern erreicht.1
Bis zum Alter von 72 Monaten (also etwa im Alter bei Schuleintritt) sind nach Daten der KV-Impfsurveillance in gerade einmal 29 von 373 untersuchten Land- bzw. Stadtkreisen mindestens 95,0 % der Kinder (Geburtsjahr 2015) zweimal gegen Masern geimpft.1
Ärztinnen und Ärzte: Das Zünglein an der Waage?
Für einige Impfungen waren starke regionale Unterschiede zu beobachten. Das kann problematisch sein: Auch auf kleinräumige Regionen begrenzte, niedrige Impfquoten gehen mit einem verminderten Gemeinschaftsschutz einher und können zu größeren Ausbruchsgeschehen beitragen. Doch wie könnten diese regionale Impflücken geschlossen werden? Dies bedarf laut RKI weiterer Analysen, die gegebenenfalls nur lokal zu adressieren sind.1
Es dauert viele Jahre, bis die Impfquoten der neu empfohlenen Impfungen das Niveau der länger etablierten Impfungen erreichen. Das liegt daran, dass diese Impfquoten zwar kontinuierlich, aber meist nur mäßig ansteigen. Das Steigen der Impfquoten belegt jedoch die zunehmende Akzeptanz der empfohlenen Impfungen in der deutschen Bevölkerung ist.1
Unser Fazit für Sie
Für die meisten der etablierten Impfungen sind die Impfquoten zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung auf einem guten Niveau. Allerdings wurden bei allen untersuchten Standardimpfungen die empfohlenen Alterszeitpunkte nicht eingehalten und Impfserien nicht vervollständigt. Einige Kinder und Jugendliche erhalten manche Impfungen gar nicht. Für einzelne Impfungen wurden starke regionale Unterschiede beobachtet, die einer näheren Analyse bedürfen.1
Quellen
- Robert Koch-Institut (RKI). Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland – aktuelle Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance. Epid Bull 2022;48:3-25.
- Robert Koch-Institut (RKI). Impfquoten bei Erwachsenen in Deutschland – Aktuelles aus der KV-Impfsurveillance. Epid Bull 2022;49:3-23.
DE-NON-01318 04/23