Impfen und Immunsystem – Welchen Einfluss hat das Altern?

Impfen und Immunsystem – Welchen Einfluss hat das Altern?

Die Stärke der Immunantwort auf eine Impfung wird durch die im Alter abnehmende Fähigkeit des Immunsystems auf Impf-Antigene zu reagieren beeinflusst. Das gilt auch für die Dauer des Impfschutzes.1 Warum das so ist und was bei der Impfung von Senior:innen zu beachten ist, hier.

Impfen und  Immunsystem – Welchen Einfluss hat das Altern?

Wie sich Immunseneszenz auf die Gesellschaft auswirkt

Das Immunsystem unterliegt altersbedingten Veränderungen, die in ihrer Gesamtheit Immunseneszenz genannt werden. Immunseneszenz geht jedoch auch mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen und Autoimmunerkrankungen einher sowie mit einem schlechten Impfansprechen. Daraus wiederum resultieren häufige Krankenhauseinweisungen und hohe Sterblichkeitsraten im Alter. Alzheimer und kardiovaskuläre Erkrankungen zählen zu den gemeinhin bekannten altersbedingten Erkrankungen.2

Die mit Infektionserkrankungen assoziierte Häufigkeit von Erkrankungsfällen (Morbidität) bei Senior:innen belastet Gesundheitssysteme und Ökonomien von Ländern auf der ganzen Welt. Ein Ende ist dabei nicht in Sicht: Zwischen den Jahren 2000 und 2015 ist die Zahl der Menschen in der Altersgruppe 60+ in urbanen Gebieten um 68 % gestiegen. Wahrscheinlich wird sich die Zahl bis zum Jahr 2050 sogar noch einmal verdoppeln.2

Das Immunsystem ist die wichtigste Verteidigung des Körpers gegen Krankheitserreger.3 Dabei umfasst der Begriff Immunsystem alle Abwehrsysteme des Körpers gegen Krankheitserreger und Fremdstoffe. Antikörper und spezialisierte Zellen, wie z. B. T-Zellen, gehören zu den wichtigsten Bestandteilen des Immunsystems.4 Im Blut, den Lymphwegen und im Gewebe sind unterschiedlichste Immunzellen zu finden. Die Wirkmechanismen sind dabei sehr vielfältig:3

  • Immunzellen können Substanzen ausschütten, die Keime schädigen
  • Keime können aufgenommen und verdaut werden
  • Keime können markiert werden, um anderen, hochspezialisierten Abwehrzellen präsentiert zu werden

Unterschieden werden das angeborene und das erworbene Immunsystem:3

Das angeborene Immunsystem ist das stammesgeschichtlich ältere der beiden. Es reagiert zwar relativ unspezifisch auf eindringende Keime aller Art, dafür aber sehr schnell. Es arbeitet sowohl über die Ausschüttung von Botenstoffen, die Eindringlinge direkt chemisch schädigen, als auch über spezielle Zellen, sogenannte Killer- und Fresszellen, die einen Keim zerstören bzw. aufnehmen und zerlegen können.3

Das erworbene Immunsystem wird vor der Geburt und in den ersten Lebensjahren ausgebildet – es bleibt aber auch später noch lernfähig. Es reagiert dabei hochspezifisch auf einzelne Erreger und besitzt die Fähigkeit ein Immungedächtnis auszubilden. So kann es sich an Erreger „erinnern“, denen es früher schon einmal begegnet ist. Das erworbene Immunsystem besteht dabei aus mehreren Komponenten3:

  • Antikörper sind von unserem Immunsystem gebildete Stoffe, die eine Abwehrreaktion auslösen, und uns gegen Krankheiten immun machen4
  • Spezielle Immunzellen erkennen und beseitigen infizierte Zellen im Gewebe3

So können durch das erworbenen Immunsystem hoch spezifische Abwehrmechanismen gegen eine ausgesprochen große Vielzahl Krankheitserreger bereitgestellt werden.3

Immunseneszenz – das Altern des Immunsystems

Was passiert im Alter im Hinblick auf das angeborene Immunsystem? Mit zunehmendem Alter verändert sich u. a. die Zahl und Funktionsfähigkeit bestimmter Zellen des angeborenen Immunsystems, wie den B- und T-Zellen. Beeinträchtigungen hier können sich auch auf das erworbene Immunsystem auswirken, z. B. durch die fehlende oder eingeschränkte Fähigkeit von T-Zellen, Antigene zu präsentieren.2

Die tiefgreifendsten Veränderungen des Immunsystems in Zusammenhang mit dem Altern werden im erworbenen Immunsystem beobachtet. Dabei können Defekte im angeborenen Immunsystem die Beeinträchtigung des erworbenen Immunsystems noch verstärken. Wir fassen die altersbedingten Defekte in B- und T-Zellen im Folgenden für Sie zusammen:2

T-Zellen erkennen über ihre große Bandbreite an Antigenrezeptoren Krankheitserreger oder tumor-assoziierte Antigene und sind zuständig für die Entwicklung des Antigen-spezifischen Immungedächtnis oder der Antigen-spezifischen Toleranz. Erkennen T-Zellen ein Antigen und empfangen zusätzlich stimulierende Signale, entwickeln sie sie sich weiter zu T-Effektorzellen. Die meisten T-Effektorzellen sind kurzlebig, allerdings bleibt ein Teil von ihnen als Gedächtniszellen erhalten und führt somit zu längerer Immunität.2

B-Zellen vermitteln die Immunität gegen Pathogene und Allergene durch die Produktion von Antikörpern. Ein entscheidendes Ziel von Impfstrategien ist das Herbeiführen einer B-Zell-Antikörperantwort. Die Bildung von B-Zellen im Knochenmark findet zwar im Allgemeinen ein Leben lang statt, doch die Zahl der B-Zell-Vorläuferzellen sowie der Antikörper-produzierenden Zellen im Blut nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab.2

Bei Menschen im höheren Lebensalter wurde u. a. die Anreicherung von B-Gedächtniszellen mit eingeschränkter Rezeptor-Vielfalt beobachtet. Darüber hinaus könnte eine verminderte Antikörper-Vielfalt zu einer abgeschwächten Antikörper-Antwort führen. Der Prozentsatz der B-Gedächtniszellen, der positiv mit der Antwort auf z. B. die Influenza-Impfung korreliert, nimmt ebenfalls mit dem Alter deutlich ab.2

Einfluss von Komorbiditäten auf das Immunsystem

Zusätzlich zu den Immunseneszenz-assoziierten Faktoren können auch weitere Aspekte das Immunsystem und die Impfantwort im Alter beeinträchtigen. Dazu zählen u. a. chronische Erkrankungen, Ernährung, Gebrechlichkeit oder Stress. Das Vorliegen von 1 oder 2 chronischen Erkrankungen ist dabei mit einer 40- bis 150-fach erhöhten Inzidenzrate für Lungenentzündung oder Grippe verbunden. Zu den relevanten Komorbiditäten im Alter zählen u. a.:5

  • kardiovaskuläre Erkrankungen
  • chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
  • chronische Nierenerkrankungen und terminales Nierenversagen
  • chronisch-entzündliche Erkrankungen
  • Immunsuppression unterschiedlicher Art (z. B. durch immunsuppressive Therapie)
  • onkologische Erkrankungen, hämatologische Erkrankungen, hämatopoetische Stammzelltransplantation, Organtransplantation
  • psychologischer Stress, Depression und Demenz

  • Psychologischer Stress ist bei älteren Erwachsenen mit einer schlechten Antikörper-Antwort und höheren Entzündungsmarkern assoziiert.5
  • Depression ist mit einer Aktivierung pro-entzündlicher Faktoren assoziiert und kann die angeborene und erworbene zelluläre Immunantwort reduzieren.5
  • Bei Demenz zeigte sich eine Assoziation mit geringer Antikörper-Antwort und höheren Interleukin-6-Leveln nach Impfung. Dies kann sogar die Stabilität der Immunglobulin G-Antikörper Antwort hemmen, was sich u. a. negativ auf die Impfantwort auswirken kann.5

Warum Impfungen bei Senior:innen wichtig sind

Die im Alter abnehmende Fähigkeit des Immunsystems auf Impf-Antigene zu reagieren, beeinflusst die Stärke der Immunantwort auf eine Impfung. Auch die Dauer des Impfschutzes, ist hiervon betroffen. Bei erstmaliger Impfung kann die Immunantwort auf unbekannte Antigene stärker eingeschränkt sein, als die Antwort auf eine Auffrischimpfung. Beispielsweise können die Wirksamkeit und Dauer des Impfschutzes von Totimpfstoffen bei älteren Menschen eingeschränkt sein.1

Wie kann man dem entgegenwirken? Bei der FSME-Impfung (Frühsommer-Meningoenzephalitis) zeigte sich z. B., dass eine zusätzliche Impfstoff-Dosis ab einem gewissen Alter eine deutlich verbesserte Wirksamkeit hervorrufen kann.1

Merke: Falls zusätzlich zum fortgeschrittenen Alter noch weitere Risikofaktoren bestehen, z. B. eine erkrankungsbedingte Immunsuppression, kann die serologische Kontrolle der Immunantwort in einzelnen Fällen sinnvoll sein, um den Schutzstatus zu bestimmen. Eine generelle Empfehlung zur Bestimmung der Antikörperkonzentration nach Impfungen gibt es jedoch nicht.1

Auch wenn in der älteren Bevölkerung die Wirksamkeit der verfügbaren Impfungen insgesamt geringer ist, u. a. weil die Immunantwort auf die Stimulation beeinträchtigt sein kann:2 Impfungen gehören zu den wichtigsten medizinischen Präventionsmaßnahmen6 um die Zahl an Infektionen unter Senior:innen zu reduzieren2. Die meisten Infektionen werden hier durch Pneumokokken, Influenza- und das Varizella zoster Virus verursacht. Beispielsweise sind Pneumokokken-Infektionen im Alter eine der vorherrschenden Ursachen für schwerwiegende Infektionen, die gleich zu mehreren Komplikationen führen können, wie Erkrankungen der oberen Atemwege, Bakteriämie und Meningitis.1 Senior:innen sollten folglich grundsätzlich gemäß STIKO-Empfehlungen geimpft sein.2

Empfohlene Standardimpfungen für alle 60+

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt für alle gesunden Erwachsenen in der Altersgruppe 60+ die:6

  • Standardimpfung gegen Pneumokokken bzw. Wiederholungsimpfung im Abstand von mindestens 6 Jahren je nach verwendetem Impfstoff
  • jährliche Standardimpfung gegen Influenza im Herbst
  • Standardimpfung gegen Herpes zoster

Quellen

  1. Robert Koch-Institut (RKI). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG) zu Reiseimpfungen. Epid Bull 2023;14:1-194.
  2. Bulut O et al. Overcoming immune dysfunction in the elderly: trained immunity as a novel approach. Int Immunol. 2020;32(12):741-53. DOI: 10.1093/intimm/dxaa052.
  3. Bundesministerium für Bildung und Forschung. Infektionen und Immunsystem. Abrufbar unter: https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/infektionen-und-immunsystem-6443.php [eingesehen am 17.01.2024].
  4. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Robert Koch-Institut (RKI), Bundesministerium für Gesundheit. Das Impfbuch für alle. Aktueller Stand: Juni 2021. Abrufbar unter: https://shop.bzga.de/das-impfbuch-fuer-alle/ [eingesehen am 17.01.2024].
  5. Kwetkat A, Heppner HJ. Comorbidities in the Elderly and Their Possible Influence on Vaccine Response. Interdiscip Top Gerontol Geriatr. 2020;43:73-85. DOI: 10.1159/000504491.
  6. Robert Koch-Institut (RKI). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2024. 2024;4:1-72.

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