Digitalisierung im Impfmanagement – lohnt sich der Recall?

Digitalisierung im Impfmanagement – lohnt sich der Recall?

Junge Kinder werden durch ein zu spätes Impfen unnötig lange einer Infektionsgefahr ausgesetzt.1 Doch wie können die Impfquoten verbessert werden? Und können Impferinnerungssysteme, auch als Recall-Systeme bekannt, die Inanspruchnahme von Impfungen erhöhen?

Kalender mit Marker und Spritze als Erinnerung an den Impftermin

Grundsätzlich sind die Impfquoten bei den meisten der lang etablierten Impfungen zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchungen auf einem guten Niveau. Jedoch wurden bei allen Impfungen nicht immer die empfohlenen Alterszeitpunkte eingehalten, Impfserien blieben teilweise unvollständig und einige Kinder erhielten manche Impfungen gar nicht. Dabei können junge Kinder schon durch ein zu spätes Impfen unnötig lang einer Infektionsgefahr ausgesetzt sein.1

Impfungen sind eine der wichtigsten medizinischen Präventionsmaßnahmen.2 Nicht zeitgerechte Impfungen können dazu führen, dass:1

  • das vollständige Impfpotenzial nicht ausgeschöpft werden kann, z. B. bei der Impfung gegen humane Papillomviren (HPV).
  • ein höheres Risiko für Impfkomplikationen besteht, wie etwa bei der Impfung gegen Rotaviren.

Durch Impfungen schützt man nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen, die zu jung sind oder aus anderen Gründen nicht geimpft werden können. Sie sind auf den Gemeinschaftsschutz, auch Herdenschutz genannt, angewiesen.3

Lesetipp:

Wie es um den Impfschutz gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken bei Kindern in Deutschland bestellt ist, lesen Sie hier.

Ob die Impfquoten für die 6-fach-Impfung für Kinder die angepeilten Ziele erreichen konnten, erfahren Sie hier.

Eine Analyse zeigte: Die Inanspruchnahme von Impfungen konnte verbessert werden, wenn die Patient:innen daran erinnert wurden. Unter den analysierten Impferinnerungssystemen, auch Recall-Systeme genannt, hatten Telefonate den größten Effekt: Wurden die Patient:innen auf diesem Weg an eine anstehende Impfung erinnert, war es wahrscheinlicher, dass sie sich impfen ließen. Auch andere Recall-Systeme wirkten sich positiv auf die Impfquoten aus.4 Aber welche Möglichkeiten der Impferinnerung gibt es?

Mögliche Kommunikationswege zur Impferinnerung

Eine Erinnerung an bevorstehende Impfungen ist erlaubt, sofern die Patient:innen ihr Einverständnis gegeben haben.5 Neben der persönlichen Ansprache in der Praxis2 gibt es verschiedene weitere Möglichkeiten, z. B.:4

  • persönliche telefonische Benachrichtigungen
  • automatische Anrufe
  • Briefe
  • Textnachrichten
  • E-Mail

Achtung: Eine Postkarte ohne Briefumschlag ist aus Datenschutzgründen nicht zulässig. Ebenso wenig darf WhatsApp genutzt werden, da unbefugt Daten an WhatsApp übermittelt werden und bei Widerruf einer Einwilligung nicht gelöscht werden können.5

Bitte beachten Sie zudem bei digitaler Kommunikation, wie Telefon- oder E-Mail-Kommunikation, die rechtlichen Beschränkungen zur Kontaktaufnahme, die ggf. eine vorherige Einwilligung erfordern.

Lesetipp:

Sie haben es in der Hand! Was Sie als MFA tun können, um die Betreuung der Patient:innen zu verbessern, lesen Sie hier.

An stressigen Arbeitstagen kann es schwierig sein, daran zu denken, die Patient:innen an anstehende Impfungen zu erinnern.6 Recall-Systeme könnten in Punkto Vergesslichkeit Abhilfe schaffen und dazu beitragen, das Impfmanagement in Ihrer Praxis zu verbessern.

Personell ist oftmals der Aufwand zu groß, individuell für alle Patient:innen den Impfstatus zu überprüfen und sie zu kontaktieren.6 Wäre es daher nicht sinnvoll, die Impferinnerungen zu automatisieren?

Digitalisierung wird nicht nur von vielen MFA kritisch gesehen, sondern auch von Ärzten und Ärztinnen. Das liegt an schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit wie Serverausfällen oder an Lesegeräten, die die Gesundheitskarten nicht erkennen. Zudem werden persönliche Nachrichten vom Praxispersonal als effektiver empfunden. Statt Recall-Systeme zu nutzen, wird oft auf Apps zur Erinnerung verwiesen (z. B. die PraxisAPP „Meine pädiatrische Praxis“ oder ImpfDocNE).6 Zudem muss sichergestellt werden, dass die Patient:innen mit der Nutzung von Recall-Systemen überhaupt einverstanden sind.5

Zunächst erscheint das Verhältnis von Aufwand und Nutzen von Recall-Systemen fraglich.6 Aber welche Vorteile kann diese Form der Digitalisierung konkret bieten?

Vorteile eines funktionierenden Recall-Systems

  • Das Praxis-Team kann Patient:innen gezielt ansprechen – es muss nicht gewartet werden, bis sie das nächste Mal in der Praxis sind.7
  • Sie können Ihre Planung verbessern und Patient:innen gezielt für den nächsten Impftermin einbestellen.7
  • Sie können Ihre Praxisauslastung optimieren.7
  • Mit dem Recall bieten Sie Ihren Patient:innen ein Service-Angebot mit großem Nutzen und das positive Gefühl, bei Ihnen gut und umfassend betreut zu werden.7
  • Es konnte beobachtet werden, dass Impf-Erinnerungen die Impfquoten verbessern.4

Tipp für die Praxis: App „Meine pädiatrische Praxis“

Die PraxisApp „Meine pädiatrische Praxis“ (früher „Mein Kinder- und Jugendarzt“) ist ein Service von www.kinderaerzte-im-netz.de und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ). Sie ermöglicht automatische Erinnerungen an wichtige Vorsorgen und Impfungen. Auch werden u. a. Informationen zu Praxiszeiten und Terminen, weitere Kommunikationskanäle wie Chat und Videosprechstunde und aktuelle Meldungen aus der Kinder- und Jugendmedizin durch die App angeboten.8

Der elektronische Impfpass (eImpfpass) ermöglicht es den Versicherten, Impfungen einheitlich und strukturiert in ihrer elektronischen Patientenakte zu speichern. Er ist nach einem festen Schema aufgebaut und basiert auf internationalen Standards.9

Ein Vorteil: Der eImpfpass und seine Inhalte sind leicht zwischen verschiedenen digitalen Systemen austauschbar und integrierbar. Die Datensätze der einzelnen Impfungen können vom Praxisverwaltungssystem gespeichert und verarbeitet werden.9

Einige Praxisverwaltungssysteme nutzen den eImpfpass für weitere unterstützende Funktionen, wie die automatische Prüfung des Impfstatus oder Erinnerungsoptionen für anstehende Impfungen.9

Quellen:

  1. Robert Koch-Institut (RKI). Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland – aktuelle Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance. Epid Bull 2022;48:3-25.
  2. Robert Koch-Institut (RKI). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2023. Epid Bull 2023;4:3-68.
  3. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Gemeinschaftsschutz: Schutz für den Einzelnen und die Gemeinschaft. Abrufbar unter: https://www.impfen-info.de/wissenswertes/gemeinschaftsschutz/ [eingesehen am 08.12.2023].
  4. Jacobson Vann JC et al. Patient reminder and recall interventions to improve immunization rates. Cochrane Database Syst Rev. 2018;1(1):CD003941. DOI: 10.1002/14651858.CD003941.pub3.
  5. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen. DS-GVO im Gesundheitsbereich Version 2.0. Abrufbar unter: https://lfd.niedersachsen.de/startseite/infothek/faqs_zur_ds_gvo/gesundheitsbereich/ds-gvo-im-gesundheitsbereich-version-2-0-212238.html [eingesehen am 08.12.2023].
  6. Robert Koch-Institut (RKI). Verantwortlichkeiten, Kosten-Nutzen Abwägungen und Digitalisierungsstress. Ergebnisse einer qualitativen Studie zur Relevanz von Recall-Systemen am Beispiel der HPV-Impfung. Aktueller Stand: 15.09.2022. Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Forschungsprojekte/abgeschlossene_Projekte/HPV-Impfung-Recallsysteme/HPV-Impfung-Recallsysteme_inhalt.html?nn=3986378 [eingesehen am 08.12.2023].
  7. Thill K-D. Patientenzufriedenheit in der Arztpraxis: Die Voraussetzung für eine erfolgreiche unternehmerische Praxisführung; mit 11 Tabellen und 20 Arbeitsblättern; mit 20 Arbeitsblättern auf CD-ROM. Köln: Dt. Ärzte-Verl.; 2008. (Deutsches Ärzteblatt).
  8. Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ). PraxisApp Meine pädiatrische Praxis. Informationen aus unserer Praxis – schnell & direkt auf Ihr Smartphone. Abrufbar unter: https://www.monks-aerzte-im-netz.de/praxisapp/flyer-nachbestellen/download-materialien/ [eingesehen am 08.12.2023].
  9. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Anwendungen in der ePA. Elektronischer Impfpass (eImpfpass). Abrufbar unter: https://www.kbv.de/html/e-impfpass.php [eingesehen am 08.12.2023].

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