MMRV: Wie steht es um den Impfschutz bei Kindern?

MMRV: Wie steht es um den Impfschutz bei Kindern?

Das Robert Koch-Institut veröffentlicht 1x jährlich eine Gesamtdarstellung und Interpretation der Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland.1 Wie es um den Impfschutz gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken bei Kindern in Deutschland bestellt ist, lesen Sie hier.

Grundsätzlich sind die Impfquoten bei den meisten der lang etablierten Impfungen zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchungen auf einem guten Niveau. Offenbar hat die COVID-19-Pandemie die Inanspruchnahme von Routine-Impfungen für Kinder und Jugendliche nicht negativ beeinflusst. Und auch das Masernschutzgesetz aus dem Jahr 2020 hat sich positiv auf die Masern-Impfquote bei Kleinkindern ausgewirkt.1

Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten: Bei allen Impfungen wurden die empfohlenen Alterszeitpunkte nicht eingehalten, Impfserien blieben unvollständig und einige Kinder erhielten manche Impfungen gar nicht. Dabei werden junge Kinder schon durch ein zu spätes Impfen unnötig lange einer Infektionsgefahr ausgesetzt.1

Gut zu Wissen
Impfungen zählen zu den erfolgreichsten und kosteneffektivsten Gesundheitsmaßnahmen. Ihnen ist es zu verdanken, dass weltweit eine drastische Senkung der Inzidenz von zahlreichen impfpräventablen Erkrankungen erreicht werden konnte.2 Die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln ist ein wesentlicher Faktor, wenn es darum geht die Morbidität und Mortalität von Kindern zu senken.3

Für Masern, Mumps und Röteln (MMR) sind fast ausschließlich Kombinationsimpfstoffe verfügbar. Daher sind die Impfquoten hierfür nahezu identisch. Für die 1. Impfung gegen Masern bei Kleinkindern im Alter von 15 Monaten liegt die bundesweite Impfquote auf KV-Ebene bei 89,1 %. Auffällig ist hierbei die Heterogenität der Impfquote auf Kreisebene. So sind z. B. 66,8 % der Kinder in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) gegen MMR geimpft, in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) 97,2 %. Somit wird das Ziel des nationalen Masernaktionsplans, für die 1. Masern-Impfung eine Impfquote von 95 % bei Kleinkindern im Alter von 15 Monaten zu erzielen, mit Ausnahme von 20 Kreisen, in einem Großteil der Regionen auf Kreisebene weiterhin verfehlt.1

  • Bis zum Alter von 24 Monaten (Geburtsjahrgang 2019) stieg die Impfquote für die 1. MMR-Impfung bundesweit auf 93,7 %.1
  • Mit 36 Monaten (Geburtsjahrgang 2018) betrug die bundesweite Impfquote die 1. Impfung 95,5 % (Masern) bzw. 95,4 % (Mumps und Röteln).1

Ein Blick auf die MMR-Impfquoten zur Schuleingangsuntersuchung (SEU) zeigt, dass die Masern-Impfungen noch bis zum Schuleingang nachgeholt werden: Im Jahr 2020 hatten bundesweit 97,5 % der Kinder die 1. Masern-Impfung erhalten.1

Hintergrundwissen kompakt
In die aktuelle Auswertung der Impfquoten bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland flossen Daten aus der Impfstatuserhebung bei den Schuleingangsuntersuchungen von 2008 – 2020 ein, sowie Daten der Impfsurveillance der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) aus den Jahren 2008 – 2022.1

Insbesondere die Gabe der 2. Masern-Impfung erfolgt verzögert. Viele Kinder sind in einem Alter, in dem sie in die Schule kommen, nicht ausreichend gegen Masern geimpft: Auf Bundesebene sind 93,2 % der Kinder zweimal gegen Masern geimpft (93,0 % gegen Mumps und Röteln). Auch ein weiteres Ziel des Masernaktionsplans, wonach 95 % der Kinder zum Schuleingang zweimal gegen Masern geimpft sein sollen, wurde nur in den 4 Bundesländern Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern erreicht.1

Doch wie sieht es auf Kreisebene aus? Gerade mal in 29 von 373 untersuchten Landkreisen und kreisfreien Städten sind mindestens 95 % der Kinder des Geburtsjahrgangs 2015 mit 72 Monaten und somit etwa im Alter des Schuleintritts zweimal gegen Masern geimpft.1

Die bundesweite Impfquote von 97,5 % für mindestens eine Masern-Impfung beim Eintritt in die Schule zeigt, dass kein generelles Akzeptanzproblem zu bestehen scheint. Vielmehr scheinen viele Eltern bei der 2. Masern-Impfung zu zögern oder zu versuchen, die Masernimmunität durch einen serologischen Test zu belegen. Dabei sollten alle Kinder in einem Alter, in dem sie in die Kindertagesstätte oder Schule kommen, eine ausreichende Masernimmunität aufweisen (idealerweise durch Impfung), damit eine Weiterverbreitung von Masern in den Einrichtungen verhindert werden kann.1

Den Nachweis der Masern-Impfung in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen regelt das am 1. März 2020 in Kraft getretene Masernschutzgesetz. Das Gesetz sieht unter anderem den Nachweis der Masern-Impfung gemäß STIKO-Empfehlungen bei Besuch eines Kindergartens und dem Eintritt in die Schule vor.1

Im Jahr 2004 wurde die Impfung gegen Varizellen (Windpocken) in den Impfkalender für Kinder aufgenommen. Die Impfungen gegen Varizellen, Masern, Mumps und Röteln werden für die gleichen Altersgruppen empfohlen. Für die 2. Impfdosis soll laut STIKO ein Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV)-Kombinationsimpfstoff verwendet werden. Trotzdem wird die Varizellen-Impfung weniger in Anspruch genommen als die MMR-Impfung.1

Für die 1. Varizellen-Impfung bei 15 Monate alten Kleinkindern liegt die Impfquote bundesweit bei 83,0 %. Dabei ist sowohl über die Zeit als auch mit zunehmendem Alter der Kinder ein ansteigender Trend bei der Impfquote zu beobachten: Sie betrug:1

  • 88,0 % für die Altersgruppe 24 Monate
  • 89,3 % für die Altersgruppe 36 Monate
  • 88,9 % im Alter der Schuleingangsuntersuchungen

Die gestiegene Inanspruchnahme der Varizellen-Impfung ist wahrscheinlich durch die Nutzung von Kombinationsimpfstoffen ein Mitnahmeeffekt bei der Masern-Impfung im Rahmen des Masernschutzgesetzes.1

Die Defizite bei der Inanspruchnahme der 2. Varizellen-Impfung konnten jedoch bis zur Schuleingangsuntersuchung nur mäßig aufgeholt werden. Dabei ist eine hohe Inanspruchnahme der Impfung im Kindesalter wichtig, um einen Gemeinschaftsschutz herzustellen und das Übertragungsrisiko der Varizellen auf Personen zu verringern, die aus medizinischen Gründen nicht mit Lebendimpfstoff geimpft werden können oder für eine Impfung zu jung sind.1

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Masern für alle Säuglinge, Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen als Standardimpfung. Für die vollständige Impfung, die sogenannten Grundimmunisierung, von Kindern sind 2 Impfungen notwendig. Für die Impfung gegen Masern werden sogenannte Kombinationsimpfstoffe empfohlen, die gleichzeitig gegen Mumps, Masern und Röteln (MMR) schützen können.7

  • Die 1. Impfung erfolgt im Alter von 11 Monaten, beispielsweise im Rahmen der U6 Vorsorgeuntersuchung, und die 2. Impfung im Alter von 15 Monaten.7
  • Dabei sollte jedoch ein Abstand von mindestens 4 Wochen zwischen der 1. und der 2. Impfung liegen.7
  • Versäumte Impfungen der Grundimmunisierung können bis zum Alter von 17 Jahren nachgeholt werden.7

Die 1. MMR-Impfung kann unter bestimmten Umständen schon ab einem Alter von ≥ 9 Monaten erfolgen:7

  • Bei einer bevorstehenden Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung wie beispielsweise eine Kita
  • Nach Kontakt zu Masern-Erkrankten

Sofern die 1. Impfung im Alter von 9 – 10 Monaten durchgeführt wurde, wird die 2. Impfung schon zu Beginn des 2. Lebensjahres verabreicht.7

Die STIKO empfiehlt, generell alle Kinder gegen Windpocken zu impfen. Für die Grundimmunisierung ist die Gabe von 2 Impfstoffdosen notwendig:7

  • Die 1. Impfung erfolgt im Alter von 11 Monaten und wird in der Regel entweder simultan mit der 1. Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) verabreicht oder frühestens 4 Wochen danach.
  • Im Alter von 15 Monaten findet die 2. Impfung statt. Hierfür kann ein Kombinationsimpfstoff verwendet werden, der neben dem Impfstoff gegen Windpocken auch Impfstoffe gegen MMR enthält (MMRV-Kombinationsimpfung).
  • Zwischen der 1. und der 2. Windpockenimpfung sollte ein Abstand von mindestens einem Monat liegen.

Bei Kindern und Jugendlichen bis zum 17. Lebensjahr, die bisher keine oder nur eine Impfung gegen Windpocken bekommen haben, sollten fehlende Impfungen nachgeholt werden.7

Möchten Sie die Impfquoten Ihrer Region für ausgewählte Schutzimpfungen von 2020 / 2021 im Überblick sehen? Klicken Sie hier für unsere interaktive Impflandkarte!

Quellen

  1. Robert Koch-Institut (RKI). Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland – aktuelle Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance. Epid Bull 2022;48:3-25.
  2. Robert Koch-Institut (RKI). Stand der Elimination von Masern und Röteln in Deutschland | Phaseneinteilung der COVID-19-Pandemie Epid Bull 2021;15:1-21.
  3. Petrova VN at al. Incomplete genetic reconstitution of B cell pools contributes to prolonged immunosuppression after measles. Sci Immunol. 2019;4(41): eaay6125. DOI: 10.1126/sciimmunol.aay6125.
  4. Pollard AJ, Bijker EM. A guide to vaccinology: from basic principles to new developments. Nat Rev Immunol. 2021;21(2):83-100. DOI: 10.1038/s41577-020-00479-7.
  5. Robert Koch-Institut (RKI). Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020. Stand: 01. März 2021. Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/jahrbuch_node.html [eingesehen am 12.04.2023].
  6. Robert Koch-Institut (RKI). RKI Ratgeber Windpocken (Varizellen), Gürtelrose (Herpes zoster). Stand: November 2019. Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Varizellen.html [eingesehen am 12.04.2023].
  7. Robert Koch-Institut (RKI). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2023. Epid Bull 2023;4:3-68.

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